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Von Ausnahmesituationen und einer Vollkaskogesellschaft

Ein alle Dimensionen übersteigendes Unwetter mit ergiebigen Starkregen hat unter anderem die Gemeinde Wettenberg, insbesondere den Ortsteil Wißmar, am Abend des 29. Mai 2018 heimgesucht. Eine schier aussichtslose Lage bot sich den ehrenamtlichen Helfern der Feuerwehr. Doch dem war scheinbar nicht genug, sahen wir uns doch teilweise Mitbürgern gegenüber, die kein Verständnis dafür hatten, dass nicht alle Einsatzstellen gleichzeitig bedient werden konnten.

Als um 18:40 Uhr die Leitstelle des Landkreises Gießen die Mitglieder der Feuerwehr Wettenberg über Funkmeldeempfänger alarmierte, war allen bereits klar, dass die eigenen Mittel und Kräfte nicht ausreichen würden. Die erste Lagemeldung an die Leitstelle nach der Alarmierung lautete daher: „Weltuntergang - es werden auswärtige Kräfte benötigt“. Diese kommen im Normalfall aus den umliegenden Kommunen wie Biebertal, Heuchelheim, Lollar und Gießen. Da dort aber auch externe Unterstützung zur Bewältigung der Lage nötig war, musste sich die Feuerwehr Wettenberg darauf einstellen, längere Zeit auf sich allein gestellt zu sein. Daher wurden zunächst nur bei zu erwartenden Personenschäden oder gemeldeten Bränden Kräfte zu den Einsatzstellen entsandt. Dies war unter anderem bei der Auslösung der Brandmeldeanlage im Seniorenheim Gleiberger-Land der Fall. Zwischenzeitlich wurde die technische Einsatzleitung Wettenberg im Feuerwehrhaus Wißmar besetzt und die von der Leitstelle per Mail gemeldeten Einsatzstellen nach Prioritäten geordnet. Bereits in der Erstphase meldeten sich viele Mitbürger direkt im Feuerwehrhaus und per Telefon oder WhatsApp bei Mitgliedern der Feuerwehr, da die Notrufleitungen teilweise überlastet waren. Dies ist allerdings kein offizieller Meldeweg und kann im schlimmsten Fall dazu führen, dass dringende Einsätze keine Priorität erhalten oder letztlich überhaupt nicht registriert werden. Daher appellieren wir im Notfall stets über die Notrufnummer 112 Kontakt mit der Feuerwehr aufzunehmen und bei besetzten Leitungen dies ggfs. mehrmals zu tun.

Mit dem Eintreffen der überörtlichen Kräfte aus Allendorf/Lumda, Rabenau, Grünberg, Hungen, Laubach sowie später auch aus Lollar und Heuchelheim wurden die registrierten und priorisierten Einsatzstellen sukzessive abgearbeitet. Hierbei packten aber auch Mitbürger an - ohne

lange zu fragen – und halfen die Lage schnell in den Griff zu bekommen. Ihnen sei ein großes Lob ausgesprochen. Doch wo Licht ist, ist auch Schatten: Zur späteren Stunde wurden Einsatzkräfte, die schon einige Aufträge abgearbeitet hatten, teilweise mit dem Wortlaut „jetzt kommt ihr erst“ und „Wenn die Arbeit gemacht ist taucht ihr auf“ empfangen. Auch trafen unsere Helfer auf Mitbürger, die die Szenarien beobachteten und sich nach Aufforderung weigerten, die personell unterbesetzten Fahrzeugbesatzungen beim Entladen der Pumpen und Schläuche zu unterstützen. Dies stimmt uns bedenklich und irritiert uns sichtlich!

Scheint sich die Vollkaskogesellschaft nun auch in Wettenberg zu etablieren? Alle für einen und jeder für sich oder „Quo vadis Ehrenamt“?

Unsere Einsatzkräfte haben bis zur Erschöpfung im Dienste der Gesellschaft gestanden und dabei auch die eigene Familie, Partner mit Kleinkindern in den eigenen überschwemmten vier Wänden zurück gelassen. Einige haben die komplette Nacht durchgearbeitet und haben auch am darauffolgenden Mittwoch noch Einsatzstellen abgearbeitet, waren somit fast 20 Stunden am Stück im Einsatz. Wir erwarten keine Lobeshymnen, lediglich Respekt und ein würdevolles Auftreten uns gegenüber. Die Tatsache, dass unser Engagement nicht mit Geld aufzuwiegen ist, macht uns nicht weniger Professioneller als eine Berufsfeuerwehr, gibt uns aber die Möglichkeit, das jeder Mitbürger und jede Mitbürgerin aktiv mitwirken kann, um zum Beispiel solche Lagen wie am 29. Mai schneller und effektiver abzuarbeiten.

Die Feuerwehr Wettenberg bedankt sich bei allen Feuerwehren aus dem Umland und den hilfsbereiten Mitbürgern, die in dieser Situation zu uns gestanden haben! Wir haben viele Bürger erlebt, die mit Freude und Erfüllung Betroffenen geholfen haben. Sie rufen wir auf, ihre Hilfsbereitschaft auf ein professionelles Fundament zu stellen und Mitglied in unseren Reihen zu werden. Dies gilt aber insbesondere auch für die Mitbürger, die prompte Hilfe erwarteten und nicht bekommen konnten. Machen sie mit, um es besser zu machen. Wir erwarten sie mit offenen Armen!

 

 

Text: Sebastian Moos

Bilder: Feuerwehr Wettenberg

 

Bild zur Meldung: Von Ausnahmesituationen und einer Vollkaskogesellschaft

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Unwettereinsatz (29. 05. 2018)

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